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Praxis für GeoKultur :                                                                          Geomantie • Feinstoffliches Naturerleben • Tier-Mensch-Synergie                                       

Wonach Mensch und Natur sich sehnen - einige Fallbeispiele


Der kleine Apfelbaum

Eine Frau wendet sich mit dem Anliegen an mich, die feinstofflichen Energien in ihrem Garten zu untersuchen. Ohne vorher etwas über den Ort zu wissen, gehe ich mit ihr durch den Garten und lasse erst einmal alles auf mich wirken. An zentraler Stelle steht ein von ihr vor zehn Jahren gepflanzter Apfelbaum. Als wir uns dem Baum zuwenden, berichtet die Frau voller Betroffenheit, dass er Krebs habe. Obwohl sie schon etliche Heilmethoden angewandt habe, gehe es dem Baum nicht besser. 

Ich bitte sie, ein paar Meter zurückzutreten und ein wenig in sich zu gehen. Dann schlage ich ihr vor, sich dem Baum noch einmal ganz neu und behutsam zu nähern - bis sie die äußere Grenze seines Kraftfeldes spüren kann. Da die Frau noch etwas zögert, ermutige ich sie, ihre Bilder über die Befindlichkeit des Baumes beiseite zu stellen und sich auf die Wahrnehmungen ihres Körpers zu konzentrieren. Tatsächlich bleibt sie nach wenigen Schritten an einer nicht sichtbaren Schwelle stehen. 

Nun bitte ich sie, den Baum um Erlaubnis zu fragen, bevor sie in sein Feld eintritt. Ich empfehle ihr bei einem solchen Anliegen eine einfache Ja-oder-Nein-Frage in ihrem Inneren zu formulieren. Nach einer Weile sagt die Frau ein wenig zurückhaltend: „ … äh, ich glaube … ja … “ und hat den Mut, dem Baum langsam näherzutreten. Ich bestärke sie, alles in ihrem eigenen Tempo zu vollziehen und den Impulsen ihres Körpers zu folgen. Als ihre Hände die Rinde des Baumes berühren, ist die Frau selbst auch berührt - von der Lebenskraft des Baumes, die deutlich fühlbar durch ihre Hände strömt. Auf meine Frage, wie es dem Baum gerade geht, antwortet sie: „ Ich glaube, gar nicht so schlecht … “ . 

In diesem Moment ergreift eine Windböe den Baum und wir sehen, wie sein Stamm im Boden hin und her schwingt. Meine Frage, ob der Baum etwas brauche, beantwortet die Frau nach kurzem Lauschen mit: „ Ich glaube, er braucht Halt … “. Wir entscheiden, sofort vier Holzpfähle zu besorgen, die wir jeweils in einer Himmelsrichtung auch gleich in den Boden einbringen. Mit weichem Band verbinden wir Pfähle und Baum. Die Frau prüft mit ihren Händen die Standfestigkeit des Baumes und durch das wachsende Zutrauen in ihre Feinfühligkeit erlebt sie mit, wie der Baum dankbar aufatmet und sich ein wenig aufrichtet. Über ihre Hände hinaus begreift die Frau, dass unsere Gedanken und Vorstellungen die Wahrnehmung beeinflussen bzw. beschränken können. Sie erfährt, dass ihr Organismus eher in der Lage ist, ein Gegenüber zu erkennen, wenn sie dessen Eigenständigkeit anerkennt und sich ihm absichtslos nähert. Sie weiss nun, dass ihr Lieblingsbaum antworten kann, wenn sie ihn freien Herzens fragt. Und sie begreift, das der Baum im Einverständnis mit dem lebt, was sie bis dahin als existentielle Bedrohung empfunden hat. Das nimmt beiden eine Last. Inzwischen haben die Zwei eine ganz eigene Gesprächsform entwickelt. Und der Baum trägt dieses Jahr viele Früchte.


Die große Tanne

Im Garten einer Frau ist auf massives Verlangen ihres Nachbarn eine große alte Tanne gefällt worden - ein Baum, den die Frau sehr mochte und der immer eine besondere Bedeutung für sie hatte. Sie verurteilt sich dafür, dem Nachbarn nicht genug entgegengesetzt zu haben, um das Leben der Tanne zu retten. Lange quält sie ihr schlechtes Gewissen und da sie nicht weiss, wie sie die Sache in Ordnung bringen kann, bittet sie mich um Unterstützung. Beim Betrachten der Biografie sowohl des Ortes und als auch der Frau wird deutlich, dass Übergriffigkeit, Ohnmacht bzw. gefühlte Machtlosigkeit ein Thema sind. Als ich die Frau bitte, sich auf den knapp einen Meter hohen Baumstumpf zu stellen und sich selbst als Ganzes wahrzunehmen, ändert sich ihre Haltung komplett. Ein Kribbeln steigt durch die Füße ihren Körper hinauf und sie richtet sich auf. In dieser Position, in der von unten die Kraft der Erde in sie strömt und sie zugleich dem Himmel näher ist, kann sie ihre eigentliche Größe fühlen. Ich bitte sie, dieses Empfinden tief in sich hineinzuatmen, reichlich auszukosten und möglichst viele Zellen ihres Organismus damit zu versorgen.

Nach einer ganzen Weile spürt sie, dass sie von der Tanne nun genau das bekommt, was sie zur Verhinderung des Fällens gebraucht hätte - Aufrichtung, Selbstvertrauen und Standfestigkeit. Dadurch entsteht ein Perspektivwechsel, denn die Frau empfindet die Tanne nun nicht nur als Opfer ihrer Hilflosigkeit sondern auch als Unterstützerin ihrer Selbstermächtigung. Als die Frau es dann noch für möglich hält, dass die Tanne sie nicht für ihre Schwäche verurteilt, wandelt sich das schlechte Gewissen zu tiefer Dankbarkeit für die besondere Hingabe des Baumes. So macht der Dialog zwischen Mensch und Baum aus einem persönlichen Dilemma ein Geschenk der Natur - es entsteht ein individueller Kraftort, an dem die Frau sich immer wieder ihrer eigenen Würde bewusst werden und sich aufrichten kann. Ein Platz, der zeigt, dass wir zwar sterben können, aber die Kraft des Lebens weiter fließt. Im darauffolgenden Jahr pflanzt die Frau an passender Stelle eine junge Tanne ein, die auch von der Kraft der alten profitiert. 


Das kranke Pferd

Bei einem Erstgespräch für eine bauliche Beratungsleistung wird schnell klar, dass der Auftraggeber unkonzentriert bzw. mental abwesend ist. Auf meine Nachfrage erfahre ich, dass der Mann jeden Augenblick den Tierarzt erwartet, der sein Pferd von einem starken, nicht diagnostizierbaren Leiden erlösen soll. Das belastet den Mann sehr. Ich biete spontan an, mich dem Pferd zuzuwenden, um womöglich etwas über dessen innere Verfasstheit zu erfahren. Ohne recht zu wissen, was auf ihn zukommt, willigt der Mann ein. Wortlos zeigt er mir den Stall.. Allein trete ich vorsichtig ein. In größtmöglichem Abstand zum Pferd hocke ich mich in eine Ecke und lausche … Der Wallach liegt angestrengt am Boden. Nach einer Weile schnauft das Tier und seine Atmung wird etwas ruhiger. Ohne ein Ziel zu verfolgen, versuche ich mich mit allen Fasern meines Seins dem Tier innerlich zu nähern. Ich bin froh, als es möglich ist, mich in sein Kraftfeld einzuschwingen. Es ist deutlich zu spüren, dass starke Schmerzen seinen Organismus belasten. Am schlimmsten erscheint die Belastung am Übergang zwischen Wirbelsäule und Beckengürtel - ein stechender Schmerz ausstrahlend nach rechts. Als ich den Eindruck habe, das Tier hat genug Zutrauen, bringe ich den Mut auf zu fragen, ob es sterben will. Ein deutliches Nein erfüllt den Stall … Auf meine Frage, ob ich etwas für es tun kann, erfolgt ebenfalls ein Nein. Damit verlasse ich den Stall. 

Der Pferdehalter blickt mich erwartungsvoll an. Ich berichte detailliert von Ort und Art der Schmerzen. Der Mann wird blass und bekommt glasige Augen. Als er sich wieder fasst, erklärt er, dass ihn seit Langem an exakt der gleichen Stelle diese Art von Schmerzen belasten. Ihm wird klar, dass sein Pferd aus Zuneigung für ihn diese Schmerzen schon lange trägt. Als ich ihm dann mitteile, dass der Wallach eigentlich gar nicht sterben will, mischt sich ein Strahlen unter die Tränen in seinen Augen. Er kommt zu dem Entschluss, von jetzt ab selbst Verantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen. Nach einer Woche ruft er mich an und berichtet, dass der Tierarzt an dem Tag nicht mehr erschienen sei und es seinem Pferd deutlich besser gehe. Er selbst habe einen Termin beim Orthopäden.


Das alte Haus

Ein Mann hat ein sehr altes Haus aus einem größeren bäuerlichen Anwesen gekauft und komplett entkernt. Er bittet mich um Unterstützung, weil er und sein Architekt den Eindruck hätten, dass noch etwas offen sei, bevor sie mit der Neugestaltung beginnen könnten. Der Baukörper besteht nur noch aus den Außenwänden, wenigen tragenden Innenwänden und dem Dach. Das Ganze wirkt wie eine große offene Wunde. Dennoch ist das Zentrum des Hauses - das ursprüngliche Herzchakra - deutlich zu erkennen. Ich bitte den Mann, sich dorthin zu stellen und sich wahrzunehmen. Er fühlt sich am ganzen Körper bedrückt, kann sein Empfinden aber nicht in Worte fassen. Wir tauschen die Plätze. Nach einem Moment der Stille drängt ein starkes Empfinden in mir hoch. Wie bei einer systemischen Aufstellung bringe ich stellvertretend für das Haus folgende Sätze hervor: „ Über dreihundert Jahre habe ich euch gedient, hab euch Schutz gewährt, hab alles erduldet, was ihr mit mir und mit euch selbst angestellt habt … und niemals hat auch nur irgendeiner gefragt, wie es mir ergeht, was ich brauche, was ich will … niemals …“ Die Vehemenz dieser Aussage angesichts einer Jahrhunderte langen Nichtbeachtung erschüttert den Mann und auch mich. Unsere völlige Sprachlosigkeit öffnet den Raum des Schweigens … Hier gibt es kein Streben nach Lösungen. Hier gilt es, auszuhalten und zu tragen, was sich zeigt.  

Als wir nach längerer Zeit die Worte wieder finden, wird auch dem Bauherrn klar, dass bis zu diesem Einschnitt alle Bewohner und Eigentümer immer nur im Sinn hatten, wie sie die eigenen Bedürfnisse und Vorstellungen in diesem Haus verwirklichen konnten. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass es sinnvoll ist, ein Feuer zu machen - mitten im Haus auf dem uralten Lehmboden. Um den Wesenskräften des Hauses Wärme, Licht und Anerkennung zu spenden. Und um das Alte dem Wandel zu übergeben. Mehrere Abende sitzt der Mann am Feuer und lauscht dem Haus … bis Frieden einkehrt.


Das Geheimnis 

Eine erfolgreiche Geschäftsfrau beschließt am Ende ihrer beruflichen Karriere, in den Norden Schleswig-Holsteins  zu ziehen, um dort ihren Lebensabend zu verbringen. Sie erwirbt eine alte Bauernkate, lässt diese entkernen und mit großem Aufwand baubiologisch renovieren. Einige Wochen nach dem Einzug wendet sie sich an ihren Architekten, der das Projekt mit viel Herzblut begleitet. Sie teilt ihm mit, dass sie sich in ihrem neuen Haus nicht wohl fühle und das irgendetwas nicht stimme. Das würde so nicht gehen.

Der Architekt meldet sich bei mir mit der Bitte um Hilfe. Als er beginnt, ausführlich über das Bauprojekt zu berichten, erkläre ich ihm, dass es mir lieber sei, wenn ich vor einem Ortstermin möglichst wenig Informationen bekäme. Auch hielte ich es für sinnvoll, wenn die Eigentümerin des Hauses meine Auftraggeberin sei und Interesse daran habe, sich auf eine Mitarbeit einzulassen. Die Frage des Architekten, ob er selbst dabei sein könne, verneine ich in diesem Fall. Nach wenigen Tagen teilt mir der Architekt mit, die Bauherrin sei bereit, mich und meine Arbeit kennenzulernen. Auf Nachfrage bestätigt er, dass sie mich regulär mit der geomantischen Untersuchung ihres Hauses beauftragen wolle. Zwei Wochen später stehe ich vor der Tür einer geschmackvoll gestalteten Reetdachkate. Eine selbstbewusste ältere Frau lässt mich herein und zeigt mir das ganze Haus. Immer wieder betont sie den besonderen Aufwand der Baumaßnahmen. Zwischendurch erzählt sie von ihrem Leben, das sie insgesamt recht gut in den Griff bekommen habe. Am Ende finden wir uns im Wohnzimmer wieder. Der Raum ist stilsicher eingerichtet - alles hat seinen Platz. Ich merke,, dass die hintere linke Ecke des Wohnzimmers meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dort steht nichts. Es ist der einzig ungenutzte Platz des Hauses. Lediglich eine Stehlampe befindet sich scheinbar ohne Funktion daneben. Als ich mich kurz in die Ecke begebe, wird mir klar, warum hier kein Möbel steht und welche Aufgabe der Stehlampe zustünde.

Ich bitte die Frau, sich in die Ecke zu stellen und die Augen zu schließen. Auf meine Frage, was sie wahrnehme oder spüre, antwortet sie: „Nichts!“, während ihr Oberkörper fast unmerklich vor und zurück schwingt. Ich fordere sie auf, wieder aus der Ecke herauszutreten und sage ihr, dass ich ihr gern eine Frage stellen würde. Diese Frage sei sehr persönlich und es stehe ihr frei, sie zu beantworten oder nicht. „Fragen Sie!“, entgegnet die Frau und ich lege los: „Gab es in Ihrem Leben eine Erfahrung, die mit dem Verlust von werdendem Leben verbunden war?“ „Wie meinen Sie das?“, erwidert die Frau. „Ich meine so etwas wie eine Fehlgeburt oder Abtreibung“, antworte ich. 

Stille tritt ein.

Die Frau schaut mich entgeistert an. Eine enorme emotionale Spannung erfasst den Raum. Die Zeit scheint sich zu dehnen. Die Frau hält sich an einer Stuhllehne fest. Ihr Blick wandert durchs Fenster nach draußen. Weit fort … 

Ganz langsam verdichtet sich die Zeit wieder und mit ihr - wie aus weiter Ferne - kommen die Worte. Mit nüchterner Stimme erzählt die Frau nach und nach, dass sie als ganz junge Frau wenige Monate nach der Hochzeit eine Fehlgeburt gehabt habe. Absolut niemand habe damals etwas von ihrer Schwangerschaft gewusst. Auch kein Mensch habe vom Verlust des Kindes erfahren. Sie habe sich nicht anders zu helfen gewusst und alles mit sich allein ausgemacht. Ein tiefes Gefühl des Überfordertseins und des Starkseinmüssens habe diese Zeit bestimmt. Auch später habe sie alles für sich behalten. Weder ihrem Mann, noch einer Freundin oder sonst jemandem habe sie sich jemals offenbart. In diesem Augenblick wird der Frau und mir klar, dass sie dieses Geheimnis mehr als vierzig Jahre ganz allein getragen hat - ohne ein einziges Mal darüber zu sprechen. Was für eine Last. 

Wieder tritt Stille ein. Sprachlos setzen wir uns gleichzeitig hin. Die Spannung löst sich ein wenig. Tränen bekommen die Erlaubnis zumindest aufzusteigen. Dann fasst die Frau sich wieder und fragt, was das denn jetzt mit dem Haus zu tun habe. Ich bitte sie die Stehlampe anzumachen und frage sie, ob sie dazu bereit wäre, sich noch einmal kurz in die Ecke zu stellen. Nach ein paar kräftigen Atemzügen begibt sie sich dorthin. Ich stehe mit leichtem Abstand neben ihr und brauche gar nicht nach ihrer Empfindung zu fragen. Dieses mal schwingt ihr Körper deutlich vor und zurück. Nach wenigen Sekunden bitte ich die Frau wieder herauszutreten und von selbst beschreibt sie das energetische Feld in der Ecke ihres Wohnzimmers: „Eine unendliche Traurigkeit, ein Sog der Schwere, der wie eine Spirale nach unten zieht.“ 

Zurück in ihrer ursprünglichen Präsenz fragt sie mich: „Was kann das sein?“ Ich erkläre ihr, wo andauerndes Leid nicht ans Licht komme, nicht anerkannt und gelöst werde, würde es dem Ort überantwortet. Das Haus würde zum stillen Zeugen menschlicher Schicksale. Dann beschreibe ich ihr mein Empfinden an diesem besonderen Platz. Mir fällt kein besseres Wort ein als Mutterschmerz. Ich kann der Frau vermitteln, dass in ihrem alten Haus Generationen von Frauen gelebt und etliche von ihnen ähnliche Erfahrungen gemacht hätten wie sie. In dieser Ecke habe sich die emotionale Energie vieler Mütter verdichtet, die den Verlust von heranwachsendem Leben alleine hätten tragen müssen. Jede von ihnen auf ihre ganz eigene Art. Aber letztendlich immer allein gelassen mit ihrem Schmerz und ihrer Trauer. Erst jetzt wird uns beiden die tiefe Dimension dieses weiblichen Urschmerzes bewusst, die weit über das individuelle Schicksal der jetzigen Bewohnerin hinaus reicht.

Wieder ist es die Frau, die die Stille durchbricht und fragt, was wir denn jetzt tun könnten. Das veranlasst mich, ihr die Frage zu stellen, ob es für sie eine Kraft, eine Instanz oder Ähnliches gäbe, das größer sei als wir Menschen - etwas, wohin sie sich wenden könne mit existentiellen Sorgen oder Nöten. Als die Frau dies verneint, frage ich sie, ob sie sich vorstellen könne, dass das Kind, welches sie damals verloren habe, eine Seele hätte. Damit könne sie etwas anfangen, antwortet sie. Wir einigen uns darauf, dass jedes Wesen - auch die Seele eines ungeborenen Kindes - das Bedürfnis und das Recht habe, wahrgenommen zu werden. Ich schlage ihr vor, die Offenbarung ihres persönlichen Geheimnisses auf eine ihr gemäße Weise sichtbar zu machen. Der Frau ist es tatsächlich möglich, sich darauf einzulassen. Nach einer Weile des Schweigens hat sie eine Idee: Wie wäre es, wenn sie in ihrem Garten einen Stein aufstellte. Das solle kein Grabstein sein, sondern ein Stein des Erinnerns. Ein Stein der Hinwendung, der Würdigung und Erhellung. Wir freuen uns über diesen Einfall und als wir im Garten nach einem passenden Platz schauen, wird klar, dass der Stein ja nicht nur für Sie und ihr eigenes Kind erstellt würde, sondern auch für all die Mütter und deren verlorenen Kinder, die zuvor an diesem Ort gelebt haben und gestorben sind. Das Empfinden, Teil einer Seelengemeinschaft zu sein und dieser einen Dienst erweisen zu können, gibt der Frau zusätzliche Kraft, um den Weg der Wandlung in eigener Verantwortung weiter zu gehen und praktisch umzusetzen. 

Zugleich begreift die Frau, dass ihr neues Haus durch die Bewahrung der tiefen Gefühle ihrer weiblichen Vorgängerinnen zum Resonanzkörper für ihre eigenen, tief verschütteten Schmerzen werden konnte. Was immer sie an diesen Ort geführt hat - alles ist so stark gereift, dass sie die Not der vorangegangenen Frauen nicht überhören kann und dadurch ihrer eigenen Not begegnet. So bringen Offenheit und Mut (sowie eine Stehlampe) mitgebrachtes und vorhandenes Leid ans Licht. Das ermöglicht Heilung. Auch das Haus atmet auf. Als ich die Frau nach einem Jahr wegen eines zu fällenden Baumes besuche, ist der Gedenkstein eingewachsen, als wäre er schon immer da gewesen. Und die Frau ist ganz angekommen in ihrem Haus.  In der Ecke steht ein Lehnstuhl.

Auf dem Heimweg denke ich: Bei Menschen kann es zuweilen Jahrzehnte dauern, bis Wunden ans Licht kommen und sie Heilung erfahren. Bei Häusern dauert’s manchmal noch länger. Doch wie lange es auch immer braucht, was werden will, kann geschehen, wenn wir Geduld haben, wach sind und unsere Herzen öffnen.


Vom Wandel der Perspektiven

Eigentlich sind wir eine Geomantiegruppe, die einmal im Monat zusammenkommt, um für ein paar Stunden einzutauchen in die feinstofflichen Welten der Natur. An diesem Tag treffen wir uns in Angeln auf einem kleinen, idyllisch gelegenen Anwesen mit Wiesen, Wäldern und Tieren. Die vielfältige Landschaft bietet sich für eine geomantische Exkursion geradezu an. Nach einer kleinen Einstimmung bitte ich die Teilnehmenden, sich dorthin zu bewegen, wohin es ihre Körper zieht. Alle Himmelsrichtungen stehen offen. Erstaunt stellen wir fest, dass sich alle Menschen unabhängig von einander zum Zaun der angrenzenden Pferdekoppel begeben. Einige suchen den direkten Kontakt zu den Tieren und lassen sich beschnuppern. Andere verweilen im für sie stimmigen Abstand. Nach einer Weile kommen wir wieder an unseren Ausgangspunkt zurück und ich frage nach der jeweiligen persönlichen Wahrnehmung. Sofort entspringt eine lebhafte Diskussion über die Befindlichkeit der Tiere. Ich beharre darauf, zunächst nur das zu beschreiben, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können - ohne das Wahrgenommene zu interpretieren. Das fällt schwer, denn das Verhalten der Pferde löst bei allen emotionale Reaktionen aus. Wir sind uns einig, dass insbesondere eine junge braune Stute unsere Aufmerksamkeit bindet. Tatsächlich steht dieses Pferd abseits und abgewandt von den anderen Tieren. Die Herde verweilt bei einem Unterstand und lässt sich ihr Futter schmecken. Die isolierte Stute hat die Ohren angelegt, zeigt einen angespannten Rücken und ständig wechselnde Beinstellungen. Ich teile der Gruppe mit, dass dieses junge Tier erst kurz zuvor als Einstellpferd in die Herde gekommen ist und unter einer schmerzhaften Huferkrankung leidet. Die Aufmerksamkeit der Gruppe ist nun noch mehr bei dem Tier und ich begreife, dass Geomantie heute eher in den Hintergrund zu treten hat. Dann geht es jetzt wohl um Pferde, entscheide ich. In diesem Sinne bitte ich die Teilnehmenden, sich von unserer ausreichend entfernten Position aus in das Kraftfeld der braunen Stute einzufühlen. 

In dieser Phase der Stille und des inneren Zugewandtseins verhält sich das Tier völlig ruhig, dreht lediglich sein linkes Ohr in unsere Richtung. Auch die anderen Pferde verhalten sich passiv. Als die Menschengruppe das Empfundene anschließend austauscht, gibt es unterschiedliche Resultate, von denen hier drei exemplarisch genannt werden: 

„ Das Pferd braucht dringend Zuwendung ! Wir sollten es auf Stroh betten. Ja, es muss betüdelt werden ! “

„ Die Stute will einfach ihre Ruhe haben. Und nicht noch mehr tragen müssen. Wir sollten sie in Ruhe                  lassen.“

„ Am besten wäre es, wenn sie von der Herde weglaufen würde ! Jetzt sofort !

Nachdem alle Menschen ihre zum Teil gegensätzlichen Wahrnehmungen geäußert haben, bitte ich jeden möglichst kurz etwas über die eigene Befindlichkeit in Bezug auf derzeitige Konflikte im persönlichen Lebensalltag mitzuteilen. Da die Gruppe klein ist und schon länger zusammenarbeitet, ist das Vertrauen groß genug, um ehrlich sein und sich zeigen zu können. Dennoch sind alle überrascht und erstaunt von den Antworten:

„ Eigentlich bräuchte ich Zuwendung. Ach, ich wäre so gern auf Stroh gebettet. “

„ Ich trage zu viel Verantwortung - vor allem für andere. Das belastet mich. Eigentlich will ich meine Ruhe haben. “

„ Am liebsten würde ich weglaufen vor meinen Problemen, wirklich. “

Die Ehrlichkeit in der Gruppe erleichtert es allen, sich einzugestehen, dass wir immer wieder dazu neigen, unsere eigenen emotionalen Themen auf andere zu übertragen. Es wird fühlbar, dass wir durch die Interpretation unseres Gegenübers oftmals mehr über uns selbst erfahren als über die Identität des Anderen. Wir glauben, das Tier zu erkennen und erleben, dass es uns stattdessen das Geschenk macht, dass wir gespiegelt und damit sichtbar werden.

Während die Gruppe noch die tiefe Auswirkung dieses Perspektivenwechsels für die Selbstwahrnehmung erlebt, verändert sich die Interaktion innerhalb der Herde. Ein junger Wallach versucht mehrfach die braune Stute wegzudrängen. Diese reagiert mit Wegschauen und minimalem Ausweichen - verändert ihre Position aber nicht wesentlich. Nach mehreren Versuchen gibt der Wallach auf. Auch eine rangniedrige ältere Stute macht etliche Anläufe, um die „Braune“ von ihrem Platz zu vertreiben. Wieder reagiert diese so gut wie gar nicht und hat tatsächlich bald ihre Ruhe. Intensiv beobachtet die Gruppe das gesamte Geschehen. Einige Menschen fragen sich, wie lange die Stute das noch wird aushalten können.    

Und dann geschieht etwas Wunderbares. Während die „Braune“ noch alleine dasteht, nähert sich ihr langsam und vorsichtig die Leitstute. Sie geht einmal um die Stute herum und berührt diese mehrmals am Kopf und am Hals. Auch jetzt bleibt die Stute ruhig stehen. Nach einer Pause erfolgt eine zarte Berührung der Nüstern und - als wäre gar nichts gewesen - begeben sich beide Stuten zusammen auf die Koppel. Gemeinsam fressen sie dort in aller Ruhe. Die Spannung im Rücken der jungen Stute löst sich und selbst ihre Bewegungen werden geschmeidiger. Die Menschen staunen und freuen sich. Nach einer Weile werden wir Zeuge, wie die Leitstute die „Braune“ zur Herde führt. Ohne Anzeichen von Stress oder Spannung wird sie von allen aufgenommen und persönlich begrüßt. Sprachlos begreifen wir, dass die junge Stute uns nicht nur etwas über unsere eigenen Bedürfnisse und Sehnsüchte zeigt, sondern dass sie uns auch einen möglichen Weg für den Umgang mit Konflikten offenbart. Zu keinem Zeitpunkt ist die Stute in Widerstand gegangen. Sie hat das Drama-Angebot des Wallachs nicht angenommen. Sie hat so wenig wie möglich auf Angriffe reagiert. Dabei ist sie der Situation weder ausgewichen noch hat sie sich klein gemacht. Und sie hat im Außen nicht gekämpft. Das beeindruckt uns tief.

Viel länger als gedacht hat diese gemeinsame Erfahrung gedauert und wir alle haben das Bedürfnis nach Bewegung. So wandelbar unser Treffen beginnt, so verrückt endet es auch. Ich schlage vor „Tick“ zu spielen - wie in unserer Kindheit. Und plötzlich tollt eine kleine Horde Zweibeiner über die Pferdekoppel - ausgelassen und fröhlich trotz forgeschrittenen Lebensalters. Und Hastenichtgesehen sind auch die Pferde mit dabei. Unversehens wird die Koppel ein Hort der Freude und Bewegung. Für alle, die dabei sind. Mensch und Tier springen gemeinsam umher. Noch einmal werden wir beschenkt von den kleinen Wundern, die unerwartet in unser Leben fallen. Ja, heute schließt das Leben niemanden aus. Was für ein wandelvoller Tag !